Aussageverweigerung im Strafverfahren: Wann es sinnvoll ist, zu schweigen
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten plötzlich eine Vorladung von der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Als Beschuldigte*r fragen Sie sich nun: Sollte ich aussagen oder lieber schweigen?
In strafrechtlichen Ermittlungen kann die Aussageverweigerung oft die klügere Entscheidung sein. In diesem Beitrag erfahren Sie praxisnah, wann und warum Schweigen sinnvoll sein kann, welche Rechte Ihnen zustehen und welche Fehler Sie unbedingt vermeiden sollten.
Das Recht zu schweigen – Ihre Rechte im Überblick
Jede Person, die als Beschuldigte in einem Strafverfahren geführt wird, hat das Recht, die Aussage zu verweigern. Das bedeutet, Sie müssen keine inhaltlichen Angaben zur Tat machen. Lediglich einige Personalien (Name, Anschrift, Geburtsdatum) sind anzugeben.
Darüber hinaus dürfen Sie jederzeit schweigen, ohne dass Ihnen daraus rechtliche Nachteile entstehen. Dieses Schweigerecht dient dem Schutz des Beschuldigten: Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten.
Aussageverweigerungsrecht für Zeug:innen
Auch Zeug:innen haben unter bestimmten Umständen ein Aussageverweigerungsrecht. Enge Angehörige (z.B. Ehepartner, Eltern, Kinder) eines Beschuldigten dürfen die Aussage verweigern, um den Familienfrieden zu wahren. Niemand soll gezwungen werden, gegen ein Familienmitglied auszusagen.
Zudem gibt es ein Auskunftsverweigerungsrecht für Zeug:innen, falls die Beantwortung einzelner Fragen sie selbst belasten würde.
Wichtig: Schweigen bedeutet kein Schuldeingeständnis. Weder Ermittlungsbehörden noch Gerichte dürfen Ihr Schweigen negativ auslegen. Im Gegenteil: Es ist Ihr gutes Recht, das Verfahren zunächst ohne eigene Aussage ablaufen zu lassen.
Wann und warum ist Schweigen sinnvoll?
In der Praxis gilt oft der Grundsatz: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold."
Gerade als Beschuldigter sollten Sie in den meisten Fällen zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Denn zum einen kennen Sie direkt nach einer Beschuldigung oft nicht den gesamten Vorwurf oder die Beweislage.
Unbedachte spontane Aussagen – vielleicht aus Schock oder dem Impuls heraus, die Situation „aufklären" zu wollen – richten oft mehr Schaden an, als sie nützen. Zum anderen verschaffen Sie sich durch Schweigen Zeit: Zeit, um einen klaren Kopf zu bewahren, und Zeit, um mit einer Anwältin/einem Anwalt die Situation zu besprechen.
Strategisches Vorgehen statt Untätigkeit
Sinnvoll schweigen heißt nicht, untätig zu sein. Es bedeutet, strategisch vorzugehen. In vielen Fällen wird empfohlen, zuerst Einsicht in die Ermittlungsakte zu nehmen (über einen Verteidigerin), bevor man irgendeine Aussage macht.
Denn nur wer weiß, welche Beweise bereits vorliegen, kann abschätzen, ob eine Stellungnahme hilfreich oder eher gefährlich ist.
Beispiel: Sie werden verdächtigt, an einem bestimmten Ort eine Straftat begangen zu haben. Ohne Aktenkenntnis wissen Sie nicht, ob es Zeugen oder Videoaufnahmen gibt, die Sie belasten – eine vorschnelle Erklärung könnte sich später als Widerspruch zu den Beweisen herausstellen. Hier ist Schweigen und erst nach Beratung aussagen (oder auch gar nicht aussagen) klar von Vorteil.
Schutz vor psychischem Druck
Zudem kann Schweigen Stress und Druck reduzieren. Bei polizeilichen Vernehmungen setzen Ermittler mitunter auf taktische Gespräche, stellen suggestive Fragen oder versuchen, durch Freundlichkeit Ihr Vertrauen zu gewinnen.
Auch vermeintlicher Smalltalk mit den Beamt*innen ist mit Vorsicht zu genießen – selbst beiläufige Bemerkungen werden protokolliert. Wenn Sie schweigen, entziehen Sie sich dieser psychischen Drucksituation.
Kurzum: Schweigen ist immer dann sinnvoll, wenn Sie unsicher über die Konsequenzen Ihrer Aussage sind oder wenn Sie das Gefühl haben, sich herausreden zu müssen. In solchen Momenten schützt Sie Ihr Recht zu schweigen vor voreiligen Fehlern.
Fazit: Im Zweifel schweigen
Indem Sie diesen Fehler vermeiden, erhöhen Sie Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Verteidigung erheblich. Denken Sie daran: Im Zweifel gilt immer „lieber schweigen, Anwalt kontaktieren".
Kein Polizist und keine Staatsanwältin kann Sie zwingen, auszusagen, und ein gut überlegtes Schweigen ist meist die bessere Strategie, bis alle Fakten auf dem Tisch liegen.
Expertentipp: Als Beschuldigte*r sollten Sie grundsätzlich zuerst schweigen und umgehend rechtlichen Beistand suchen. Eine vorschnelle Aussage – ob mündlich oder schriftlich – kann mehr schaden als nützen.


